Kapuziner: Bitteres Ende nach 400 Jahren

Von Dominik Landwehr

Dem Kapuzinerorden fehlt der Nachwuchs: Im nächsten Jahrmuss das Kloster in Zug geschlossen werden.

«Ich zieh' mir dann eine Zipfelmütze an, so können Sie mich besser erkennen.» Pater Bernardin, der Vorsteher (Guardian) des Kapuzinerklosters Zug ist ein fröhlicher Mensch. Pünktlich zur vereinbarten Zeit steht er - allerdings ohne Zipfelmütze - am Bahnhof Zug und bringt mich mit seinem roten Kleinwagen ins nahe Kapuzinerkloster. Seit genau 400 Jahren sind die Kapuziner hier: Das Kloster ist ein Juwel mitten in der Zuger Altstadt, wie ein kurzer Rundgang zeigt: Das Zentrum des Klosters ist die Kirche, die im Jahre 1675 ihre heutige Form fand. Sie bietet gut und gerne 300 Menschen Platz und ist öffentlich zugänglich. Das gilt auch für den Kreuzgang. Hier befindet sich der 32teilige Bilderzyklus des Zuger Malers Jakob Warttis: der Zyklus, der um 1615 entstand, zeigt das Leben des Ordensgründers Franz von Assisi. Die Menschen neben dem heiligen Franziskus tragen aber Gesichtszüge von Zuger Persönlichkeiten des 17. Jahrhunderts, und das gibt dem Zyklus eine Bedeutung, die über die religiöse Erbauung hinausgeht. Durch den liebevoll gepflegten Garten geht es zum Wehrturm: Pater Othmar, der schon seit 1947 im Kloster lebt, steigt jeden Tag die 76 Stufen hinauf, um die Turmuhr aufzuziehen. Mit dem Turm sind die Zuger aus einem besonderen Grund verbunden: Seit 50 Jahren erinnert der Glockenschlag am Abend des 8. Mai jeweils an das Kriegsende vor 50 Jahren. Ein Blick in die Bibliothek rundet den Gang ab: ein einfacher, aber stimmungsvoller Raum - ganz dem Armutsideal des heiligen Franziskus verpflichtet.

Keinen Luxus für die Brüder

Einfach sind auch die Zimmer, Wasser gibt's nur in den Waschräumen. Auch das Zimmer des Vorstehers Pater Bernardin hat keinen Luxus. Anders als der Abt bei den Benediktinern versieht er sein Amt nur für sechs Jahre. Pater Bernardin ist 60jährig und gehört damit zu den jüngsten im Kapuzinerkloster Zug. «Das Durchschnittsalter hier ist 79 Jahre - eigentlich sind wir ein Altersheim», seufzt er. Als Pater Bernardin 1954 sein Gelübde ablegte, gab es in der Schweiz 800 Kapuziner. Heute sind es weniger als ein Drittel. Die Überalterung ist der Grund für die baldige Schliessung des Klosters. Aber sie ist nur ein äusseres Zeichen für eine innere Krise, meint Pater Bernardin im Gespräch: «Wir haben den Anschluss an die neue Zeit verpasst.» Die herkömmlichen Tätigkeiten der Seelsorge - Beichte hören, Messe lesen und Sakramente spenden - müssten hinterfragt und unserer Zeit angepasst werden. Dann spricht Pater Bernardin ein besonders heikles Problem an: Laientheologen haben in vielen katholischen Kirchgemeinden die Lücken gefüllt, die der Priestermangel hinterlassen hat. In vielen dieser Gemeinden springen Kapuziner nur noch für jene Handlungen ein, die nur ein geweihter Priester vornehmen darf. Dazu gehört vor allem das Spenden der Sakramente. Glücklich ist Pater Bernardin darüber gar nicht: «Mit unserer Aushilfetätigkeit in den Gemeinden helfen wir heute mit, Strukturen zu erhalten, die eigentlich überlebt sind und geändert werden müssten», meint er. Und: «Als Aushilfepriester fehlt uns der lebendige Kontakt zu einer Gemeinde. «Die Bilanz dieser Tätigkeit: «Wir verzögern damit sogar den Prozess der Erneuerung.» Der Kapuziner kritisiert auch den Zwang zum Zöllibat, zum ehelosen Leben: «Männer und Frauen, die heute als Laientheologen wirken, müssten auch die Priesterweihe erhalten können.»Überflüssig würden die Kapuziner auch in Zukunft nicht. Denn das Bedürfnis nach Religiosität ist in der Bevölkerung gross. Die Frage ist nur, in welcher Form man auf dieses Bedürfnis reagiert. Pater Bernardin berichtet von einem ungewöhnlichen Unternehmen in Frankfurt: Eine Gruppe von Mitbrüdern hat in dieser Stadt ein CityKloster ins Leben gerufen. Inmitten von Häuserschluchten stellt sich ein traditionelles Kloster dort ganz in den Dienst des Grossstadtmenschen und bietet beispielsweise Gespräche ohne Voranmeldung an. Das Frankfurter CityKloster scheint ein Erfolg zu sein und einem echten Bedürfnis zu entsprechen. Die Kapuzinergemeinschaft wird den Menschen in Zug fehlen. Mit einer Petition haben gegen 1000 Zuger versucht, die Schliessung zu verhindern. Ändern kann auch eine Petition nichts. Was passiert mit dem Kloster? Es gehört, so Pater Bernardin, der Bürgergemeinde Zug. «Rund ein Dutzend Projekte für die Zukunft des Klosters liegen vor», erklärt der Schreiber der Bürgergemeinde Herbert Speck. Ideen kultureller aber auch religiöser Art gibt es genug. Entschieden sei aber noch nichts, sagt der Schreiber und will deshalb keine Einzelheiten über die Projekte verraten.

Jeder zweite Platz leer

Mittlerweile ist es Mittag geworden: «Herr, in Deinem Namen sind wir hier versammelt, und Du bist mitten unter uns». So beten die Kapuziner vor dem Mittagessen. Dann gibt es Suppe, Sauerkraut, Speck, Wurst und Kartoffeln. Für den Gast sind Keramikteller gedeckt, die Kapuziner essen aus Blechtellern.

Mehr als jeder zweite Platz beim Mittagessen bleibt leer. 25 Menschen fänden hier im Kapitelsaal Platz. «Die Gemeinschaft stirbt, und dieser Tod ist für uns schmerzlich», so fasst Pater Erwin die Gefühle der anwesenden Ordensleute zusammen.

Wann es genau soweit sein wird, weiss man noch nicht. Die Kapuziner aus Zug sollen dann in den anderen Klöstern dieses Ordens in der Schweiz Unterkunft finden.Der Gedanke,hier wegzumüssen, fällt vielen schwer, auch wenn sie als Kapuziner ihre Wirkungsstätten immer wieder verlassen mußten.

Trost aus der Legende

Etwas Trost vermag vielleicht eine Begebenheit aus dem Leben des Ordensgründers zu spenden. Der Historiker Beat Dittli, der die Festschrift zum 400-Jahr-Jubiläum des Klosters gestaltet hat, greift sie in seinem Buch auf: «Der heilige Franziskus kehrte einst von einer langen Reise zurück. Als er erfuhr, dass seine Mitbrüder sich in der Zwischenzeit in einem schönen, neu erbauten Haus eingerichtet hatten, gab er ihnen strenge Weisung, das Haus sofort zu verlassen.» Die Menschen haben auf der Erde keine bleibende Stätte und bleiben Pilger und Fremdlinge. Dies wollte der heilige Franziskus mit dieser Geschichte seinen Mitbrüdern sagen.

Siehe auch:

Zur Geschichte der Kapuziner und ihrer Klöster in der Schweiz:


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