Die Welt von morgen :

Telemedizin - TV-on-demand und Satellitentelefon


Von Dominik Landwehr

Erschienen im "Brückenbauer" Nummer 5 vom 31.Januar 1997


 Lesen Sie folgende Artikel zu diesem Thema:

Telekommunikation in der Schweiz vor der Deregulierung

Im Kabeldschungel, Interview mit dem Trendanalytiker David Bosshart

Newtelco: Konkurrenz für die Telecom

Internet-Links zum Thema «Telekommunikation »


Die Welt von morgen

 

Telekommunikation ist mehr als nur Telefonieren.
Das zeigt ein Blick auf drei zukunftsweisende Anwendungen.

Das Satelliten-Telefon

Wo immer auf der Welt seine Leute im Einsatz sind, Charles Raedersdorf, der Chef des Schweizerischen Katastrophenhilfekorps (SKH), steht überall mit ihnen in Kontakt: Das Geheimnis ist ein kleiner, unauffälliger Aktenkoffer, den sein Einsatzleiter dabei hat. Darin befindet sich ein ganz normaler Telefonhörer, eine Tastatur und ziemlich viel Elektronik. Der Deckel lässt sich abnehmen und als Antenne nutzen. Im Einsatzgebiet angekommen, klappt der Einsatzleiter das Köfferchen auf, richtet den Deckel grob auf den Satelliten aus und tippt die Nummer ein - danach steht die Verbindung in Sekunden.

Dank Akkus ist das System, mindestens für die erste Stunde, selbstversorgend. Zum Einsatz kam es beispielsweise im Jahr 1995, als in Aegion (Griechenland) ein Hotel einstürzte und zahlreiche Menschen unter sich begrub. Anders als das Natel braucht dieses System keine umfangreiche Bodeninfrastruktur - das Signal gelangt vom Telefon direkt zum Satelliten.

Schnelle Kommunikation

«Schnelle Kommunikation ist das A und O für die Aktionen der Katastrophenhilfe», erklärt SKH-Chef Charles Raedersdorf. «Im Katastrophenfall können wir innert weniger Stunden ein erstes Helferteam mobilisieren. Dessen Ziel ist es, die Situation zu erkunden, Hilfsmassnahmen einzuleiten und den Boden für die nachfolgenden Helfer zu ebnen.»

Der schnelle Draht zur Zentrale ist entscheidend: Denn diese kann innert weniger Stunden Personal, aber auch Hilfsgüter mobilisieren und ins Einsatzgebiet schicken - doch dies gelingt nur, wenn die Zentrale unverzüglich informiert wird. Schliesslich kommt ein weiterer Aspekt dazu: «Das Satellitentelefon erhöht auch die Sicherheit unserer Leute», sagt Raedersdorf.

Teure Verbindung

Das mobile Satellitentelefon ist heute frei auf dem Markt erhältlich und kostet rund 40000 Franken. Teuer ist aber nicht nur die Anschaffung, sondern auch dessen Betrieb: Wer das System benutzt, muss bis zu zehn Franken pro Minute für Gesprächstaxen hinblättern: «Der Satellit muss ein sehr starkes Signal schicken, damit man es mit einer derart kleinen Antenne empfangen kann. Doch das kostet viel Energie und damit auch Geld», präzisiert SKH-Übermittlungsspezialist Rolf Sommerhalder.

Die Technik bleibt aber gerade in der mobilen Kommunikation nicht stehen: Bereits arbeitet die Telekommunikationsindustrie an einem neuen Satellitennetz. Der Benutzer soll dann mit einer neuen Generation von leichten Mobiltelefonen weltweit direkt via Satellit telefonieren können. Ob die Welt dann vollends zum Dorf wird, bleibt allerdings abzuwarten.

Dominik Landwehr


TV à la carte

Die Holztreppe knarrt unter dem Schritt an der Dornacherstrasse im Basler Gundeli-Quartier. In der Altbauwohnung im dritten Stock hat sich der 26jährige Student Michael Bürgin gemütlich eingerichtet. Nichts ist hier ungewöhnlich - bis auf den unauffälligen Kasten über dem Fernseher, der aussieht wie ein Videorecorder.

Das Gerät ist ein Prototyp: Mit einem Knopfdruck auf eine etwas vergrösserte Fernbedienung verlässt Michael Bürgin die «gewöhnliche» Fernsehwelt. Auf einer Begrüssungsseite wählt er aus gespeicherten Programmen, Filmen und Nachrichtensendungen aus, was ihn interessiert - gerade, wie wenn er sich die Sachen selber aufgenommen hätte.

Ein weiterer Knopfdruck bringt ihn ins «World Wide Web», in die grosse, weite Welt des Internets. «Das Fernsehangebot ist noch nicht ganz auf der Höhe. Aber der schnelle Internetzugang ist schon phantastisch», meint der Student, der bei unserem Besuch gerade daran ist, sich über die amerikanische Topuniversität Stanford zu informieren. Dort will er sich bewerben. Keine einfache Sache. Dass die Aufnahmebedingungen via Internet abrufbar sind, spart immerhin einige Wochen Zeit.

All diese Dienstleistungen holt sich Michael Bürgin ohne Computer und Telefon ins Haus: «TV on demand» heisst das Zauberwort. Der neue Dienst ist ein Versuch, den die Telecom PTT zusammen mit Siemens Schweiz und dem Basler Kabelfernsehunternehmen «Balcab» anbietet.

30 Haushalte machen bei diesem Projekt mit: Sie sind über ein leistungsfähiges Kabelnetz mit einer Computerzentrale verbunden, die ihnen in digitaler Form schickt, was sie gerade wollen. Dazu gehört auch der Internetanschluss, der 40mal schneller ist als alles, was es heute auf dem Markt gibt. Die Netzwerktechnik kommt von Siemens und gehört zum Feinsten, was es derzeit gibt. Das Zauberwort dabei heisst «ATM». Was das geheimnisvolle Kürzel bedeutet, erklärt Siemens-Projektleiter Michael Graf: «Durch die Aufteilung der Videodaten in viele, kleine Pakete können wir das Kabelnetz besser nutzen. Der Teilnehmer profitiert von dieser Technik durch eine garantierte Bildqualität und eine schnelle Reaktion auf seine Wünsche, die er via Fernbedienung übermittelt. »

Der Versuch ist mehr als nur ein kleines Strohfeuer: Er gehört zu einem Projekt, das von der Europäischen Union gefördert wird und gleichzeitig in anderen europäischen Städten wie Mailand, München und Reykjavik stattfindet. Bis diese Technik und die damit möglichen neuen Dienstleistungen allgemein verfügbar sind, dürfte es aber noch dauern: «Kaum vor dem Jahr 2000», meint Projektleiter Graf.

D.L.


Mit Telemedizin Kosten sparen

Wer die lichtdurchflutete Eingangshalle des Schweizer Paraplegiker-Zentrums in Nottwil betritt, hat zunächst eher das Gefühl, in einem modernen Flughafen oder einem Sportzentrum zu sein als in einem Spital. Aktivität und Kommunikation werden hier grossgeschrieben, und so ist in der Eingangshalle auch eine Cafeteria, die zum Sitzen einlädt.

Neue Technologien

Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum ist eine hochspezialisierte Klinik für Querschnittgelähmte und kennt absolut keine Berührungsängste gegenüber neuen Technologien. Chefarzt Guido Zäch führt uns zu einem der zahlreichen Untersuchungsräume. Hier steht der modernste Computertomograph der Firma Siemens. Es ist ein sogenannter Spiralscanner. Das Gerät liefert fazinierende Bilder aus dem Körperinneren: So lässt sich auf dem Bildschirm beispielsweise ein bestimmter Abschnitt der Wirbelsäule dreidimensional darstellen und von allen Seiten betrachten und drehen - gerade wie wenn man ein naturgetreues Modell vor sich hätte.

Bilder, wie sie dieses topmoderne Untersuchungsgerät liefert, werden in digitaler Form zentral gespeichert, ebenso gewöhnliche Röntgenbilder, Laborwerte und die ganze Krankengeschichte des Patienten. Der behandelnde Arzt hat von jedem Arbeitsplatz im Paraplegiker-Zentrum Zugriff auf diese Daten. Das ist nötig, denn hier müssen Spezialisten aus zahlreichen Fachrichtungen zusammenarbeiten, darunter Radiologen, Orthopäden oder Urologen.

Möglich macht dies ein leistungsfähiges Informatiksystem. Es funktioniert heute erst innerhalb des Zentrums, soll in Zukunft aber weitere Aufgaben extern wahrnehmen.

Distanzen überbrücken

Dann können die Spezialisten in Nottwil auch Bilder und Daten von Patienten beurteilen, die gar nicht im Zentrum selber sind. «Das wichtigste und teuerste in jedem Spital ist das Mitarbeiterteam: Über die Hälfte unserer Ausgaben sind Personalkosten. Moderne Diagnostikeinrichtungen helfen aber, Geld und Zeit zu sparen», sagt Chefarzt Guido Zäch.

Inskünftig könnten die Schweizer Spitäler miteinander den Aufwand für einen Spezialisten teilen. Leider, so fügt Chefarzt Zäch bei, schaffe das revidierte Krankenversicherungsgesetz (KVG) keine Anreize dafür, und so dürfte es noch eine Zeitlang dauern, bis diese Visionen Wirklichkeit werden.

Telemedizin nennt man diese neue Art von medizinischer Versorgung. Ist das nicht unmenschlich? - «Der direkte Kontakt mit dem Patienten bleibt das wichtigste. Es geht hier aber darum, dank präziser Diagnose die bestmögliche Therapie anzubieten», betonen die Ärzte in Nottwil. «Es ist im Interesse der Patienten, wenn ein Topspezialist die Diagnose stellt», sagt Chefarzt Zäch.

Domink Landwehr


Artikel zu verwandten Themen finden Sie unter folgenden Stichworten

Multimedia


Fronpage mit Frames - Frontpage ohne Frames - English Page - Minderheiten - IKRK- Multimedia&Co. - Rumänien - USA - Vietnam, - Eritrea - Böhmen- Varia - Postkarten - Quotes - Books - Personal

Briefe - Links