Schweizer Armee:
Stärkeres Engagement für das Kriegsvölkerrecht

Dominik Landwehr


Das Kriegsvölkerrecht (KVR) soll in der Schweizer Armee und im Eidgenössischen Militärdepartement EMD (Schweizerisches Verteidigungsministerium) einen höheren Stellenwert erhalten. Das KVR soll verstärkt in die taktische Ausbildung integriert werden. Künftig sollen sich weniger Stellen als heute innerhalb des EMD mit dem KVR beschäftigen. Stärker als bisher soll die Schweiz im Bereich des Kriegsvölkerrechtes auch mit dem Ausland zusammenarbeiten. - Dies sind die Grundgedanken einer Neukonzeption des Bereiches "Kriegsvölkerrecht". Die Bestrebungen haben bereits erste Früchte hervorgebracht: Seit diesem Frühjahr gibt es ein interaktives Unterrichtsmittel zum Thema "Kriegsvölkerrecht".


Eine Testfrage zum Einstieg: Welche der nachfolgenden sechs taktischen Mittel sind im Kriegsfall erlaubt bzw. verboten: Scheinstellung, fremde Uniformen, Giftgas, Spielzeugminen, vorgetäuschter Angriff, Falschinformationen im Funkverkehr? - Hier die Auflösung: Nicht erlaubt sind der Gebrauch fremder Uniformen, Giftgas, und Spielzeugminen.

Diese Fragen sind Teil eines Eingangstests des neuen, interaktiven Lernprogramms auf CD ROM, das der KVR-Verantwortliche zusammen mit der Dienststelle Computerunterstützte Ausbildung (CUA) der UG Ausbildung und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) entwickelt haben. Das neue Lernprogramm soll ab sofort in der Schweizer Armee verwendet werden. Schon in der Entwicklungsphase hatten ausländische Stellen ein grosses Interesse an diesem Programm gezeigt. Deshalb wurde von Anfang an eine englische Version miteingeplant, neben einer deutschen, französischen und italienischen Version. Das IKRK, welches das Ausbildungsprogramm mit-finanziert und -gestaltet hat, will weitere Sprachversionen herstellen und demnächst eine spanische, russische und arabische Adaptation produzieren.

Dieses Lernprogramm ist der Ausdruck von Bestrebungen, die dem Kriegsvölkerrecht innerhalb von Armee und EMD zu einer grösseren Bedeutung verhelfen wollen.

In der Vergangenheit lag in diesem Bereich vieles im argen. Zu diesem Schluss kommt ein internes EMD-Papier, das als Grundlage für die Neukonzeption diente. Unter dem Stichwort "Ausbildung der Trupe" im Bereich Ausbildung der Truppe sei die Armee ihren Verpflichtungen in wenig befriedigender Weise nachgekommen, heisst es dort unter anderem. Innerhalb des EMD befassten sich verschiedene Stellen mit dem KVR, was zu einer "Verzettelung" führte. Auf internationaler Ebene fehlte es schliesslich an einer wirksamen Zusammenarbeit, was sich nachteilig auf den Informationsstand unseres Landes und der Armee auswirkte.

Ausgehend von dieser Kritik leitet sich die Neuausrichtung der Bestrebungen des EMD im Bereich des Kriegsvölkerrechts ab. Dazu gehören folgende Gedanken:

Zur Verwirklichung dieser Ideen soll im EMD eine Organisationseinheit "Kriegs-völkerrecht" geschaffen werden:

Das Engagement des EMD für das Kriegsvölkerrecht ist im Rahmen einer aktiven Aussenpolitik der Eidgenossenschaft und der humanitären Tradition unseres Landes zu sehen. Daran hat der Bundesrat selber in den vergangenen Jahren wiederholt erinnert. So hat er sich 1990 dazu bekannt, die Verbreitung des humanitären Kriegsvölkerrechts auf nationaler und internationaler Ebene zu fördern. In seinem Bericht zur Aussenpolitik aus dem Jahr 1993 stellt der Bundesrat fest, dass in den internationalen Beziehungen das Recht den Vorrang vor politischer Willkür geniessen muss. Eine Aussenpolitik, die diesem Ziel dient, liegt für den Bundesrat im eigenen sicherheitspolitischen Interesse der Schweiz. Schliesslich spielt das Kriegsvölkerrecht auch im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine wichtige Rolle: Am Gipfeltreffen der Organisation von 1994 erklärten die Mitgliedstaaten ihren Willen, die Ausbildung ihrer Streitkräfte in den Belagen des Kriegsvölkerrecht auszubauen und sich für die Einhaltung von dessen Normen in internationalen wie in inneren Konflikten einzusetzen.

Eine aktive Rolle der Schweiz bei der Verbreitung des Kriegsvölkerrechts wird auch auf internationaler Ebene gewünscht: Institutionen befreundeter Staaten (Bundesrepublik Deutschland, USA, Österreich) glauben, dass die Schweiz als Hort humanitärer Tradition bei der Umsetzung des KVR eine eigentliche Führungsrolle übernehmen müsste. Dieser Erwartung wurde etwa an einer internationale Konferenz über die Anwendung der Normen des Kriegsvölkerrechts im Jahre 1994 ausgedrückt.

Schliesslich hat sich auch der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Cornelio Sommaruga, wiederholt für ein verstärktes Engagement der Schweiz ausgesprochen.

Noch orientiert sich das Ausbildungsmaterial der Schweizer Armee an Kriegen, die völkerrechtlich gesehen als internationale Konflikte zwischen zwei verfeindeten Parteien qualifiziert werden. Die Realität der Gegenwart sieht aber anders aus: internationale Konflikte wie etwa der Golfkrieg von 1991 sind gegenüber zahlreichen Bürgerkriegen klar in der Minderzahl. Sind für den Laien Konflikte in Tschetschenien oder im ehemaligen Jugoslawien noch eindeutig als Kriege so wird es im Fall von Nordirland schon schwieriger, handelt es sich hier doch eher um innere Wirren. Militärs und Politiker sind sich darüber einig, dass solche Wirren, innere Unruhen und bürgerkriegsähnliche Konflikte in Zukunft eine wachsende Rolle spielen werden.

Diese Situation birgt für die Entwicklung und Verbreitung des Kriegsvölkerrechts eine besondere Herausforderung, die von praxiserfahrenen Leuten, aber auch von Theoretikern und schliesslich von Ausbildungsspezialisten bewältigt werden muss.


KASTEN 1

Völkerrechtlich bindende Verpflichtungen

Zu den Grundlagen im Bereich des Kriegsvölkerrechts, die auch für die Schweiz bindend sind, gehören die vier Genfer Konventionen aus dem Jahre 1947 sowie die beiden Zusatzprotokolle aus dem Jahre 1977. Die Schweiz ist als Depositarstaat für Konventionen und Zusatzprotokolle, ein wichtiges Referenland.

Beide Abkommen regeln auch die Verbreitung des Kriegsvölkerrechts durch die Signatarstaaten. Im zweiten Zusatzprotokoll, das die Schweiz im Jahre 1982 ratifiziert hat, ist unter Artikel 83 beispielsweie folgendes zu lesen:

(1)"Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in Friedenszeiten wie in Zeiten eines bewaffneten Konfliktes die Abkommen und dieses Protokoll in ihren Ländern so weit wie möglich zu verbreiten, insbesondere ihr Studium in die militärischen Ausbildungsprogramme aufzunehmen und die Zivilbevölkerung zu ihrem Studium anzuregen, so dass diese Übereinkünfte den Streitkräften und der Zivilbevölkerung bekannt werden.

(2) Die militärischen oder zivilen Dienststellen, die in Zeiten eines bewaffneten Konflikts Verantwortlichkeiten bei der Anwendung der Abkommen und dieses Protokolls zu übernehmen haben, müssen mit ihrem Wortlaut voll und ganz vertraut sein.


KASTEN 2

CUA-Lernprogramm "Kriegsvölker-recht"

Das neue, interaktive Lernprogramm "Kriegsvölkerrecht" richtet sich an alle Angehörigen der Armee. Es vermittelt die wichtigsten Verhaltensregeln und -Vor-schriften in den Bereichen Kriegsführung, Kriegsgefangene und Schutzzeichen. Es geht bei diesem Lernprogramm aber nicht nur um die Vermittlung von Verhaltensnormen, sondern auch um ein tieferes Verständnis für die Anliegen des Kriegsvölkerrechtes.

Das Lehrmittel besteht aus folgenden Kapiteln:

Das Programm ist so aufgebaut, dass Benützer mit Grundkenntnissen im KVR ohne Einführung zum anspruchsvollen zweiten Teil vorrücken können. Ihr Vorwissen wird zuvor allerdings mit kniffligen Fragen getestet

Technisch: Das Lernprogramm läuft auf jedem moderneren handelsüblichen Computer mit Windows- oder Macintosh Benützeroberfläche. Es erfordert ein Abspielgerät für CD ROMs.

Bezugsquelle: Sektion Kriegsvölkerrecht - UG Operationen - EMD - 3084 Wabern


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